Nävi der Augenlider

Differentialdiagnose und Chirurgie

MARKUS J. PFEIFFER

Einleitung

Der Nävus (Muttermal, Leberfleck) ist ein gutartiger Tumor, der aus Melanozyten oder aus Nävuszellen besteht. Nävi können pigmentiert oder unpigmentiert sein.  Angeborene Nävi sind sehr selten. Erworbene Nävi bilden die Gruppe der häufigsten und vielfältigsten Hauttumore. Nävi müssen operiert werden, wenn sie unansehnlich sind oder zu maligner Entartung neigen. Dieser Artikel beschreibt die Differentialdiagnose von Nävi und die chirurgischen Techniken für Exzision und Rekonstruktion

Abstract

Congenital nevi are very rare. Acquired nevi belong to the most common group of skin tumors. Eyelid nevi are present in a great variety. They are treated for cosmetic reasons or the risk of malignant transformation. This contribution explains the differential diagnosis of various types of nevus and the surgical techniques of resection and reconstruction.

Klassifikation

A. Angeborene Nävi

1. Pandanävus

2. Geteilter Nävus

B. Erworbene Nävi

1. Junktionaler Nävus

2. Compoundnävus

3. Dermaler Nävus

4. Naevus coeruleus (blauer Nävus)

5. Dysplastischer Nävus

Differentialdiagnose

Ein großer Teil der Nävi lässt sich durch die Anamnese und die Morphologie klassifizieren.

Entwicklung:  Kongenitale Nävi sind schon bei der Geburt vorhanden und können sich im weiteren Verlauf in ihrer Größe oder Pigmentierung verändern. Die Mehrzahl der erworbenen Nävi entsteht in der Kindheit oder Pubertät. Sonnenexposition fördert ihre Pigmentierung

Morphologische Merkmale: Der überwiegende Teil der Nävi lässt sich sich durch die drei wichtigsten morphologischen Merkmale identifizieren: Pigmentierung, Umriss und Profil.

Pigmentierung: Nävi können pigmentiert oder unpigmentiert sein. Die häufigste vorkommende Färbung ist ein homogenes Braun. Blaue und blauschwarze Tönungen findet man in tieferen Zonen der Dermis. Bei atypischen Nävi beobachtet man eine unregelmässige Pigmentierung, die den Hinweis / Verdacht auf eine maligne Veränderung liefert.

Umriss: Als gutartiges Zeichen gilt ein regelmässiger Umriss und eine symmetrische Form. Unregelmässige Grenzen und Asymmmetrie sind zeichen einer möglichen Entartung

Profil: Lentigo und junktionale Nävi sind flach im Hautniveau. Compoundnävi zeigen eine geringe Erhebung über dem Hautniveau. Dermale Nävi bilden warzenartige Vorwölbungen oder Knoten.

A. Kongenitaler Nävus

A.1 Periokularer Nävus (Pandanävus)

Dieser Nävus ist angeboren und sehr selten. Er ist auffällig wegen seiner fast schwarzen Färbung und borkenartigen Oberfläche. Das Risiko der Entartung zum Melanom hängt von der Größe ab und liegt zwischen 2% und 10%. Die Gefahr der malignen Entartung und die ästhetische Entstellung sind Indikationen für chirurgische Therapie. Eine weitere Indikation ist die Lidfehlstellung durch die Unregelmäßigkeit des Lidrandes (Abb. 1).

Chirurgische Therapie: Mehrere chirurgische Schritte sind notwendig. Zuerst sollte die Fehlstellung der Lidkante korrigiert werden. Nach der Entfernung des Nävus aus Epidermis und Dermis wird der intakte Orbikularismuskel freigelegt. Dieser dient als Basis für eine freie Transplantation von Vollhaut aus dem Lidbereich oder Spalthaut aus anderen Körperregionen (z.B. Oberarminnenseite) (Abb. 2, 3). Ablative Techniken mit Laser oder Elektrochirurgie sind direkt am Lid ungeeignet, da sie Narben und Traktion hinterlassen.


Abb. 1: Kongenitaler Nävus im Augenbereich zwischen Augenbraue, Wange und Nase (Pandanävus):

Abb. 2: Nach dem ersten Eingriff: der Nävus wurde aus der Lidregion entfernt und die Defekte durch freie Transplantate von Lidhaut ( für das Oberlid) und retroaurikulärer Haut (für das Unterlid) ersetzt.

 


Abb. 3: Postoperativ nach Hauttransplantation von Vollhaut (aus dem Lidbereich) am Oberlid und Unterlid (OT und AT).

Abb. 4a: Die übrigen Defekte ausserhalb der Lider wurden durch Spalthaut gedeckt. Diese wurden mit dem Dermatom aus der Oberarminnenseite entnommen.

 


Fig. 4 b Postoperativ nach 4 Monaten

Fig 4 c: Spalthautentnahme

 

A.2 Angeborener geteilter Nävus

Der angeborere geteilte Nävus ist viel häufiger als der oben beschriebene Pandanävus und seltener als die erworbenen Nävi. Der angeborene geteilte Nävus ensteht in der embryonalen Phase vor der Teilung der Lidöffnung in Oberlid und Unterlid. Die Öffnung der Lidspalte teilt den Nävus in einen Oberlidanteil und Unterlidanteil. Diese Nävi kommen in jeglicher Größe vor. Man beobachtet minimale Vorwölbungen der Lidkante (Abb. 5) oder auffällige Wucherungen (Abb. 7), die zur kompletten mechanischen Ptosis und / oder Ektropium führen. Die Mehrzahl der geteilten Nävi sind unpigmentiert. Sie können jedoch pigmentierte Einschlüsse enthalten (Abb. 6).

Chirurgische Behandlung: Die chirurgische Technik ist weniger kompliziert als es scheint, da viel überflüssiges Gewebe vorhanden ist und die für die Lidanatomie unentbehrlichen Schichten, wie die hintere Schicht und die Lidheberstrukturen meist unversehrt sind.

Kleine geteilte Nävi kann man im Niveau der Lidkante mit Hochfrequenzchirurgie, Laser oder Skalpell abtragen. Bei größeren Tumoren wird eine umfangreichere Exzision der betroffenen Schichten nötig (Abb. 5).


Abb. 5: Präoperativ: Voluminöser geteilter Nävus mit dermaler Wucherung am Oberlid und am Unterlid (mit eingeschlossenem blauen Nävus).

Abb. 6: Postoperativ: nach Exzision mit der Hochfrequenznadel im Niveau der Lidkante.

 

 

 

 

Chirurgische Behandlung des grossen geteilten Nävus:

Große geteilte Nävi können nach meiner eigenen Technik (Pfeiffer MJ) operiert werden. Das Lid wird in drei Schichten gespalten: 1. die hintere Schicht (Tarsokonjunktiva und Bindehaut), 2. die mittlere Schicht (Orbikularismuskel und Septum), 3. die vordere Schicht (Haut).

Von der Lidkante ausgehend trennt man die hintere Schicht (Tarsokonjunktiva und Lidheberstrukturen) vom Rest des Lides (Abb.9). Der Rest des Lides wird wiederum getrennt zwischen Orbikularismuskel und Haut (Abb.10). Anhängendes Nävusgewebe wird von allen drei Schichten abgetragen. Zuerst wird die hintere Schicht an den Lidwinkeln (medialer und lateraler Kanthus) fixiert und über dem Radius des Augapfels angepasst und angelegt. Die mittlere Schicht (Septum und Orbikularismuskel werden darübergelegt und fixiert). Die Haut wird darüber angepasst. Die verbleibende Ptosis kann man nach drei Wochen korrigieren.

 


Abb. 7: Präoperativ: Geteilter Nävus mit mechanischer Ptosis und Unterlidektropium.

Fig. 8: Postoperativ: Nach dreischichtiger Wiederherstellung und Ptosiskorrektur.

 


Abb.. 9: Dreischichtige Technik (Pfeiffer)

1: Präparation und Trennung der hinteren Lamelle (Tarsokonjunktiva und Lidheber)

2: Trennung der vorderen Lamelle zwischen Orbikularismuskel und Haut.

Abb. 10: Dreischichtige Technik (Pfeiffer)

1: Fixation der hinteren Lamelle an den Lidwinkeln (Kanthi) mit horizontaler Straffung.

2: Verlagerung des Orbikularismuskels und der Haut darüber, um die vordere Schicht anzupassen.

 

B: Erworbene Nävi:

1. Junktionaler Nävus, Abb. 11

2. Compound Nävus, Abb. 12, 13

3. Dermaler Nävus, Abb. 14, 15

4. Naevus coeruleus (Blauer Nävus) Abb. 16, 17

5. Atypischer (dysplastischer) Nävus, Abb.18


Abb. 11: Der junktionale Nävus ist ein pigmentierter Fleck im Hautniveau. Naevuszellen sind in der Schicht zwischen Epidermis und Dermis angereichert.

Abb. 12: Der Compoundnävus bildet einen leicht erhabenen pigmentierten Fleck. Nävuszellen finden sich in der Epidermis und Dermis verteilt.


Abb. 13: Differentialdiagnose: ein leicht erhabenes und pigmentiertes Basalzellkarzinom kann wie Compoundnävus aussehen, wie in diesem Fall bei einem 30 -jährigen Patienten.

Abb. 14: Dermale Nävi bilden erhabene Knoten mit glatter oder papillenförmiger Oberfläche. Sie können pigmentiert oder, wie in diesem Fall, unpigmentiert sein.


Abb. 15: Eine Woche, nachdem der Nävus (Abb. 14) mit der Hochfrequenznadel abgetragen wurde. Man kann schon die nachwachsenden Wimpern sehen.

Abb. 16: Blauer dermaler Nävus.

 


Abb. 17: Differentialdiagnose: Diese blaue Zyste ist mit klarer Flüssigkeit gefüllt und erscheint wie ein blauer Nävus.

Abb. 18: Differentialdiagnose: Dieser atypische oder dysplastische Nävus hat eine asymmetrische Begrenzung und eine unregelmäßige Pigmentierung, was für die maligne Entartung zum Melanom spricht.

Siehe: Melanom