Einleitung Ein lateraler Telekanthus (medial
verlagerter Kanthus) liegt vor, wenn der Punkt der Vereinigung von Ober- und
Unterlid nach innen in Richtung Kornea des Augapfels verschoben ist. Die
Ursache des primären lateralen Telekanthus ist eine Atrophie des lateralen
Musculus orbicularis kombiniert mit einer Insuffizienz der Kanthalligamente,
die die Funktion haben, dem Musculus orbicularis eine Insertion zu geben.
Normalerweise kontrahieren die Muskelfasern von Ober- und Unterlid unabhängig
voneinander zwischen ihren spezifischen Ansatzpunkten. Wenn die lateralen
Aufhängebänder fehlen, verliert der Muskel seine seitliche Insertion und
verhält sich wie ein Sphinkter, wodurch der Kanthus nach innen gezogen wird.
Der sekundäre laterale Telekanthus wird durch Zug nach Resektionen des Lids zur
Entfernung von Tumoren oder zur Behandlung einer Laxität verursacht.
Abstract Lateral telecanthus is present when the
union of the lateral upper lid and lower lid is displaced towards the centre of
the eye. The primary lateral telecanthus can be caused by an atrophy of the
lateral orbicularis muscle and the laxity of the lateral canthal tendons, that
also provide the insertion of the orbicularis muscle to the periosteum. Normally
the muscular fibers of the upper and lower lid contract individually between
their specific insertions. If the lateral achoring tendons are loose, the upper
and lower orbicularis muscle can act like a sphincter and displace the lateral
canthus towards the center of the eye. The secondary lateral telecanthus is
caused by eyelid shortening to treat laxity or resect tumors.
Primärer lateraler Telekanthus Der primäre laterale Telekanthus entsteht
durch Degeneration (Involution) des Musculus orbicularis und der
Kanthalligamente ohne vorausgehende traumatische oder chirurgische Läsion. Die
Verlagerung des Kanthus wird durch die Spannung des oberen oder unteren
Musculus orbicularis verursacht, die ihre seitliche Insertion verloren haben
oder durch eine Atrophie des Muskels. Dadurch verwandeln sich Ober- und
Unterlidmuskel in einen Sphinkter, der den Kanthus nach medial zieht. Der
primäre Telekanthus kann mit einer Ptosis des Oberlids oder einem Ektropium des
Unterlids assoziiert sein (Abb.3, Abb.5). In einigen Fällen kann man auch eine
Verlagerung des Unterlids nach nasal beobachten, bis der Tränenpunkt über der
Karunkel oder vor dem oberen Tränenpunkt liegt. Die Pathologie kann mit der
Fuchs-Blepharochalasis assoziiert sein.
Chirurgie des primären lateralen Telekanthus Die chirurgische Korrektur basiert auf der
Verstärkung oder Rekonstruktion der lateralen Kanthalligamente und der
Refixation des Musculus orbicularis an seine laterale Insertion. Eine
Kantoplastik mit Tarsuslasche kann in einigen Fällen ausreichend sein. Wir
haben jedoch partielle Rezidive des Telekanthus in Fällen beobachtet, die nur
mit einer einfachen Kantoplastik behandelt wurden. Möglicherweise war die
Kantoplastik nicht ausreichend, um den Muskel lateral wieder einzusetzen,
aufgrund der Atrophie oder des Fehlens der Fasern im Dreiecksbereich am
lateralen Kanthus (Abb.3). Deshalb empfehlen wir, die Kantoplastik mit einer
Muskelplastik (Reinsertion eines Muskellappens) zu kombinieren.
Abb.1: Lateraler Telekanthus: Der laterale
Winkel ist in Richtung Zentrum des Auges verlagert. In der grauen Pfeilzone
sieht man eine Atrophie des lateralen Musculus orbicularis.
Abb.2: Die Zugwirkung des Musculus
orbicularis des Unterlids verursacht eine nasale Verlagerung des Unterlids, bis
der Tränenpunkt über der Karunkel oder vor dem oberen Tränenpunkt liegt. Die
vordere Lamelle ist atrophisch und seitlich verdünnt.
Abb.3: Lateraler Telekanthus mit
dreieckigen Atrophiezonen des Musculus orbicularis.
Abb.4: Postoperativ nach Kantoplastik,
Korrektur von Ektropium, Hauttransplantat und Reinsertion des Musculus
orbicularis.
Abb.5: Präoperativ: Primärer lateraler
Telekanthus mit Unterlid-Ektropium. Man sieht das laterale Dreieck mit
atrophischem Musculus orbicularis.
Abb.6: Postoperativ (1 Woche): Laterale
Kantoplastik, Reinsertion des Musculus orbicularis und subziliäres
Hauttransplantat.
Abb.7: Präoperativ: Lateraler Telekanthus
mit Ptosis.
Abb.8: Postoperativ: Nach
Levator-Operation, lateraler Kantoplastik und Reinsertion des Musculus
orbicularis.
Abb.9: Sekundärer lateraler Telekanthus
nach Rekonstruktion von 1/3 des Unterlids. Stumpfer lateraler Winkel, eckiger
Unterlidrand.
Abb.10: Postoperativ unmittelbar: Korrektur
des Telekanthus und des Unterlidrandwinkels.
Abb.11: Postoperativer Verlauf: Nach
einigen Wochen bleibt die Position des lateralen Winkels stabil, aber es zeigt
sich eine leichte Winkelbildung des Unterlids.