Ektropium (Auswärtskippung des Unterlides)

Einführung 
Die Fazialisparese (Kapitel 4.1) verursacht eine Schwäche des M. orbicularis. In leichten Fällen kann die Parese partiell sein, und das Lid bleibt in seiner Position. Bei einer kompletten Parese, aber intakten Lidbändern, sinkt das Lid nur wenig ab (1–2 mm). Die Fazialisparese in Kombination mit einer Lidlaxität verursacht jedoch ein stärkeres Absinken des Unterlids, und es kommt zu einer Eversion des Lidrandes (paralytisches Ektropium).

Die chirurgische Korrektur besteht aus zwei Komponenten:
1. Relaxation der hinteren Lamelle und seitliche Fixierung durch Kanthoplastiken,
2. separate Anhebung der vorderen Lamelle durch einen muskulokutanen Lappen.


Abstract
Facial palsy (chapter 4.1) causes weakness of the orbicularis muscle. Simple cases can show a normal position of the lower lid, because there is only a partial palsy. If the orbicularis muscle is completely paralyzed and the canthal tendons are intact, the lower lid tends to a lower position of only 1–2 mm. If facial palsy and lid laxity are present simultaneously, the lid descends more and the lid margin shows eversion (paralytic ectropium). The surgical correction is based on two components: (1) relaxation and elevation of the posterior lamella by lateral and medial canthoplasties, (2) elevation of the anterior lamella (skin-muscle flap).

Stellung des Unterlids bei Fazialisparese 
Die Schwäche des M. orbicularis verursacht ein Absinken der Muskelschicht aufgrund fehlender Kontraktion und durch ihr eigenes Gewicht. Wenn man die unteren Hornhautlimbi beider Augen durch eine Linie verbindet, liegt das normale Lid auf dieser Linie, während das paralytische Lid darunter liegt. Der Winkel des lateralen Kanthus ist auf der gelähmten Seite weiter geöffnet (90°) als auf der normalen Seite (<60°).
Langfristig ist die tiefere Lidposition nicht reversibel, da sich das orbitopalpebrale Band zurückzieht, das den lateralen Teil des Lides mit dem unteren Orbitalrand verbindet.

Abb. 1: Die obere weiße Linie verbindet die Hornhautzentren. Die untere weiße Linie (parallel) verbindet die unteren Limbuslinien. Das rechte paralytische Unterlid liegt unterhalb der unteren weißen Linie. Das linke Unterlid liegt auf der unteren weißen Linie.

Abb. 2: Der Winkel des lateralen Kanthus ist auf der gelähmten Seite weiter geöffnet (90°) als auf der normalen Seite (<60°).

Chirurgische Technik: 1. Kantotomie und Anhebung der Lamellen 
Als Zugang wird eine laterale Kantotomie bis zum Periost des Orbitarrandes verwendet. Die Kantotomie wird etwa 8 mm nach lateral erweitert. Durch die Kantotomie wird das orbitopalpebrale Ligament durchtrennt, um die fibröse Verbindung zwischen Retraktoren und Orbitalrand zu lösen.

Die Kantotomie dient als Zugang und zur Fixierung des Lides am Periost durch eine Kanthoplastik (siehe Kanthoplastiken 3.4). Der Fixationspunkt der Kanthoplastik kann auf einem höheren Niveau als das ursprüngliche gewählt werden, um eine stabilere Position zu erreichen.

Die laterale Kanthoplastik wird vernäht. Um die vordere Lamelle mit dem M. orbicularis praeseptalis und orbitalis anzuheben, benötigt man einen vertikalen muskulokutanen Lappen (siehe chirurgische Technik 2).

Abb. 3: Durch eine Kantotomie wird die hintere Lamelle entspannt und zusammen mit dem M. orbicularis praetarsalis durch eine Fixation am Periost (Pfeil parallel zum Lidrand) gespannt. Die vordere Lamelle mit dem M. orbicularis praeseptalis und orbitalis wird im zweiten Schritt vertikal angehoben (senkrechter Pfeil).
Abb. 4: Absinken des M. orbicularis (oben): Die Schwäche des Muskels verursacht ein Absinken der Muskelschicht aufgrund fehlender Kontraktion und durch ihr eigenes Gewicht. Anhebung des Muskels (unten).
Abb. 4: Absinken des M. orbicularis (oben): Die Schwäche des Muskels verursacht ein Absinken der Muskelschicht aufgrund fehlender Kontraktion und durch ihr eigenes Gewicht. Anhebung des Muskels (unten).
Chirurgische Technik: 2. Muskulokutane Elevation Im zweiten Schritt wird der M. orbicularis orbitalis vom Jochbein gelöst und als muskulokutaner Lappen (M. orbicularis orbitalis und praeseptalis) nach oben verlagert, um ihn am Periost zu fixieren (3 Anker mit 5-0 Nylon).
Abb. 5: Vor der Operation: rechte Fazialisparese, Absinken des rechten Unterlids und Erweiterung des lateralen Lidwinkels.
Abb. 6: Nach der Operation: Zugang über eine laterale Kantotomie bis zum Periost, die dann in eine Kanthoplastik umgewandelt wurde. Das orbitopalpebrale Ligament wurde durchtrennt. Der Fixationspunkt der Kanthoplastik wurde höher als das ursprüngliche Niveau gesetzt, um eine stabilere Position zu erreichen.
Abb. 7: Vor der Operation: paralytisches Ektropium links mit Absinken aller Anteile des M. orbicularis.
Abb. 8: Nach der Operation: Der M. orbicularis praetarsalis wurde durch eine laterale Kanthoplastik angehoben. Der M. orbicularis praeseptalis und orbitalis wurde durch einen muskulokutanen Lappen angehoben.