Unterlidretraktion
bei endokriner Orbitopathie
Einleitung
Die Retraktion ist ein dominantes Zeichen
bei der endokrinen Orbitopathie. Die schilddrüsenbedingte Retraktion des
Unterlids ist weniger häufig als die Retraktion des Oberlids. Die Ursache ist
ein autoimmuner Entzündungsprozess der Orbita. Die Unterlidretraktion entsteht,
weil die Entzündung den Musculus rectus inferior, die Retraktoren oder beide
betrifft. Wenn die Entzündung nicht rechtzeitig mit entzündungshemmenden Medikamenten
(Steroidtherapie) behandelt wird, kann der Prozess in eine Fibrose mit
Elastizitätsverlust des orbitalen Gewebes und dauerhafte Retraktion des Lids
übergehen.
Abstract
Lower lid retraction caused by Graves
disease (5.1) is less frequent than upper lid retraction. It is caused by an
autoimmune inflammatory process of the orbit. Retraction can result from the
inflammation of the inferior rectus muscle, from the lower lid retractor
inflammation and fibrosis, or both. If the inflammation is not treated by
antiinflammatory drugs (steroids), it can progress to fibrosis of the muscles
and permanent retraction.
Die zwei Formen der Unterlidretraktion bei endokriner
Orbitopathie
In einigen Fällen kann der Exophthalmus
(Proptosis) eines Auges eine tiefere Position des Unterlids verursachen, da der
Bulbus nach vorne verlagert ist und das Unterlid zurückbleibt. Dies wird mit
den Hertel-Messungen beurteilt. Dieses Phänomen kann als Pseudoretraktion
definiert werden.
Die primäre Retraktion beruht auf einer
Entzündung oder Fibrose der Retraktoren, was zu einem Elastizitätsverlust führt
und die tiefe Position des Unterlids verursacht. Die anteriore Lamelle bleibt
intakt, während die posteriore Lamelle ihre Elastizität verliert oder sogar
eine Retraktion entwickelt.
Pseudoretraktion des Unterlids durch Exophthalmus
Wenn der Bulbus nach vorne verlagert ist
(Exophthalmus), tendiert der Unterlidrand dazu, auf eine tiefere Position als
das Hornhautlimbus abzusinken (Abb. 1,2). Die Pseudoretraktion wird durch zwei
Faktoren verursacht: erstens durch den Exophthalmus und zweitens durch die
Position des Musculus orbicularis unterhalb des Äquators.
Die normale Position des Unterlids
entspricht einem Kreissegment oberhalb des Augapfels zwischen den beiden
Lidwinkeln und dem unteren Hornhautlimbus. Der Exophthalmus verursacht eine
Abwärtsabweichung. Die Pseudoretraktion kann sich durch die Wirkung der
tieferen Position des Musculus orbicularis verstärken, der sich aufgrund seiner
Spannung an eine tiefere Kurve und einen kleineren Radius anpasst.
Abb. 1: Rechts ist der Bulbus nach vorne
verlagert und das Unterlid bleibt hinter dem unteren Hornhautlimbus zurück.
Dies ist eine Pseudoretraktion, die durch die exophthalmische Lage des
Augapfels verursacht wird.
Abb. 2: Pseudoretraktion durch
Exophthalmus: Das Unterlid liegt tiefer als der rote Punkt (horizontale Achse
des Bulbus). Die Linie zwischen grünem Punkt (Lidwinkel) und gelbem Punkt
(Hornhautlimbus) zeigt die Abweichung. Durch die Kraft des Musculus orbicularis
wird das Unterlid auf eine kürzere Kreisbahn gezogen.
Abb. 3: Pseudoretraktion des Unterlids
durch Exophthalmus.
Abb. 4: Nach Korrektur des Exophthalmus
durch orbitale Dekompression (Lipodekompression).
Primäre Unterlidretraktion bei endokriner Orbitopathie
Die primäre Retraktion entsteht durch einen
Elastizitätsverlust der Retraktoren aufgrund von Fibrose. In einfachen Fällen
kann sie durch eine transkonjunktivale Durchtrennung der Retraktoren und eine
laterale Kantoplastik in höherer Position korrigiert werden. In komplizierten
Fällen reicht die Durchtrennung nicht aus. Zusätzlich muss ein Gewebe als
Spacer interponiert werden, das vom Patienten selbst gewonnen und
transplantiert wird.
Abb.
5: Einfache primäre Retraktion bei endokriner Orbitopathie.
Abb. 6: Postoperativ nach
transkonjunktivaler Durchtrennung der Retraktoren und lateraler Kantoplastik in
höherer Position.
Abb. 7: Komplizierte Retraktion der
Unterlider bei endokriner Orbitopathie.
Abb. 8: Postoperativ nach
transkonjunktivaler Durchtrennung der Retraktoren und Kantoplastik. Zusätzlich
wurde Dermis als Spacer interponiert und vom Patienten selbst transplantiert.
Abb. 9: Transkonjunktivaler Zugang zu den
Retraktoren.
Abb. 10: Nach Durchtrennung der Retraktoren
wurde Dermis als Spacer implantiert.